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Data Analytics Rückblick 2023 und Ausblick 2024

Publiziert
21. Februar 2024

Von Leon Wempner (Head of Data Analytics) und Stefan Carstens (Head of Technical Account Management)

Rückblick 2023

Es gab noch nie eine Zeit, in der so intensiv über digitales Marketing gesprochen wurde wie im Jahr 2023.

Das Jahr 2022 endete, und 2023 begann mit der Einführung von Chat GPT, einem Chatbot, der mithilfe künstlicher Intelligenz Antworten auf die unterschiedlichsten Fragen generieren kann. Hinter dieser künstlichen Intelligenz stehen statistische Modelle und maschinelles Lernen, ähnlich wie bei einem Data Analyst, der versucht, Muster und Strukturen zu erkennen. Solche Modelle benötigen große Mengen an Daten für präzise Ergebnisse. Genau diese erforderlichen Datenmengen zu generieren, wurde den Werbetreibenden im vergangenen Jahr immer schwerer gemacht. Neben gesetzlichen Bestimmungen trug der Privacy Forward Approach dazu bei, dass die Diskrepanz zwischen dem Wert der Daten und ihrer Verfügbarkeit immer größer wurde – das sogenannte Datenparadoxon. Diese Entwicklung zwang die Branche damit zu beginnen neue Lösungsansätze zu finden und auszuprobieren.

Aufgrund der DSGVO und des fehlenden Datenschutzabkommens zwischen den USA und der EU wurde 2023 verstärkt in serverseitige Technologien investiert. Besonders europäische Lösungen wurden hier sehr wohlwollend bewertet. Die serverseitigen Technologien sollen Werbetreibenden mehr Kontrolle über ihre Daten verschaffen und eine direkte Verbindung zwischen Kund:innen/Besucher:innen und den Servern amerikanischer Unternehmen verhindern. Diese Entwicklung ging mit einem erheblichen Aufwand und einer Komplexitätssteigerung einher, die fortgeschrittene Fachkenntnisse erforderte. Die führenden Technologieanbieter auf diesem Gebiet standen noch in den Anfängen und bemühten sich, auf alle Anforderungen zu reagieren. Im Laufe des Jahres konnten sich die EU und die USA auf ein neues Datenschutzabkommen (Trans-Atlantic Data Privacy Framework, kurz DPF) einigen.

Neue Herausforderungen lieferte außerdem der Digital Markets Act der Europäischen Union. Hier wurde im September 2023 eine Gruppe von Digitalkonzernen als „Gatekeeper“ definiert. Unter den 22 Unternehmen befinden sich einige der einflussreichsten Namen der Technologiebranche, u.a. Alphabet (Google), Amazon, Microsoft, Meta, Apple uvm. – allen gemein ist die bedeutende Rolle bei der Gestaltung der digitalen Wirtschaft in Europa. Als Reaktion darauf hat Google unter anderem den Consent Mode v2 ins Leben gerufen. Dessen Einbindung für Werbetreibende wird quasi essentiell, sofern sie zukünftig gewisse Funktionen zur Optimierung ihrer digitalen Media-Kampagnen im Google-Kosmos nutzen wollen. Hier sind die Unternehmen im Vorteil, deren Consent-Management-Plattform ein offizieller Google-CMP-Partner ist.

Im Bereich Web Analytics beschäftigte uns in 2023 vor allem der Sunset von Universal Analytics (die kostenfreien Accounts). Der Übergang erfolgte in Wellen, und schließlich wurden in entsprechenden Accounts keine Daten mehr verarbeitet. Gleichzeitig erlebten wir den Aufstieg von Google Analytics 4 (ehemals Google Analytics App + Web) – ein interessantes Produkt mit einigen vielversprechenden Features, aber auch mit zahlreichen Bugs und unausgereiften Funktionen, die kreative Lösungen forderten. Google Data Studio wurde umgelabelt in “Google Looker Studio” und mit sogenannten Quotas (Abfragebegrenzung) limitiert, was die Nutzung des Tools massiv beeinträchtigte. Dies wurde glücklicherweise seitens Google verstanden und später behoben.

Im Dezember 2023 stand ebenfalls Google im Fokus. Die erste Welle des seit Jahren angekündigten Third Party Cookie Sunset von Google Chrome startete. Erste Traffic-Anteile liefen somit bereits in die Third-Party-Cookie-freie Privacy Sandbox ein.

Ausblick 2024

Bis Mitte des Jahres wird Google Chrome alle Third Party Cookies blockieren. Dies verändert die Möglichkeiten zur Optimierung des digitalen Marketings grundlegend. Funktionen und Methoden zur Reichweitenmessung, Frequenzsteuerung, Targeting uvm. werden in der bekannten Form nicht mehr zur Verfügung stehen und stellen die Branche vor große Herausforderungen.

Deshalb beschäftigen wir uns mit diversen Lösungsansätzen zur Kompensation der Cookie-gebundenen Funktionen zur Kampagnen-Optimierung und schauen gespannt auf die weiteren Entwicklungen. Die Frage ist, ob die neuen Lösungsansätze wie beispielsweise die Google Sandbox vor allem die Walled Gardens (Alphabet, Meta, Amazon, Apple, Microsoft) weiter stärken werden. Es gibt alternative ID-Anbieter wie die NET-ID oder die erst 2023 in Deutschland gestartete Utiq Lösung als mögliches Gegengewicht zu den angelsächsischen Konzernen. Lösungen zur Kompensation sind in weiten Teilen vorhanden.

Für Werbetreibende ist es nun wichtig aktiv zu werden, die passenden Lösungen zu identifizieren, zu verproben und die dafür benötigte (First-Party-)Datengrundlage zu schaffen.

First-Party-Daten, speziell die E-Mail-Adresse, werden 2024 an Bedeutung gewinnen, da sie als Identifikator die wichtigste Rolle spielen werden. Im vergangenen Jahr hat Safari bereits begonnen, die sogenannten Click-Identifier (z.B. gclid) aus der URL zu entfernen. Inzwischen wissen wir, dass der gclid-Parameter auch bei Google keine Technologie ist, auf die man seine langfristige Strategie bauen sollte. Auch hier scheint die E-Mail-Adresse die Antwort zu sein: Google-Produkte wie Enhanced Conversions oder Customer Match ermöglichen es bereits, Conversions ohne den Einsatz von Third Party Cookies zu messen. Marketeers müssen neue Wege finden, um First-Party-Daten zu generieren. Die Aufgaben von Marketing-Teams werden mit den Aufgaben von Produktteams eine Schnittmenge erzeugen und gemeinsam müssen Lösungen unter dem Schlagwort “Value Exchange” entstehen, sprich den entscheidenden Mehrwert liefern, damit Besucher:innen ihre Daten freiwillig teilen. Auch der Bedarf von Customer-Data-Plattformen wird zunehmen, und Unternehmen mit digitalem Geschäftsmodell müssen ihre CDP-Strategie überdenken bzw. eine CDP-Strategie entwickeln, da hier die agnostischen Technologien zusammengefasst sind, um zukunftsorientiertes digitales Marketing zu betreiben.

In der Vergangenheit haben sich viele Unternehmen gegen die Verwendung von gehashten E-Mail-Adressen entschieden für z.B. Customer Match. Wir denken, dass zu Gunsten der Performance diese Entscheidung nochmal überdacht werden sollte.

Wir sehen die Chancen, dass das Transatlantische Datenschutzabkommen mit einem Schremms-III-Urteil gekippt wird, leider als sehr hoch. Bereits die vorherigen Abkommen “Safe Harbor” und “Privacy Shield” wurden aufgrund von Klagen durch Max Schremms gekippt. Dieser hat bereits verlauten lassen, dass er auch das Transatlantische Datenschutzabkommen nicht mit Europäischem Recht zu vereinbaren sieht. Die Datenschutzbeauftragte von einem unserer Kunden fasste es sehr gut zusammen: “So lange die USA immer noch einen Fuß – für ihre Geheimdienste – in der Tür stehen lassen, wird es kein konformes Datenschutzabkommen zwischen der EU und der USA geben können.”

Wir gehen davon aus, dass einige Marktteilnehmer:innen an Wettbewerbsfähigkeit verlieren werden oder gar vom Markt verschwinden, während neue Marktteilnehmer:innen mit Lösungen für akute Probleme auf den Plan treten. Ein neues Hoch sollten Digital Experience Plattformen erleben, die das Verhalten der Nutzer:innen aufzeichnen und somit qualitative Daten erzeugen, die zur UX/CX Optimierung genutzt werden können. Mithilfe von Algorithmen bzw. Künstlicher Intelligenz können Frustrationssignale erhoben und aufgezeichnet werden, die eine Art UX-Monitoring darstellen.

Die Künstliche Intelligenz wird weiterhin in verschiedenen Anwendungsfällen präsent sein und sich als Basistechnologie etablieren. Sie wird uns beispielsweise bei der Analyse von Daten helfen, indem Sprachmodelle aus einfachen Fragen ein SQL-Statement erzeugen und dieses gegen die Datenbank laufen lassen. Somit können in Zukunft noch mehr Menschen einen Output generieren, den sie sonst nicht erzielt hätten.

Die Qualität des Outputs hängt aber entscheidend von der Qualität des Prompts und natürlich dem Input ab → Garbage-in-garbage-out-Prinzip! Am Ende des Tages handelt es sich um Algorithmen und statistische Modelle, nicht um tatsächliche Intelligenz.

Unternehmen werden sich verstärkt um ihre Daten kümmern müssen und Verantwortung übernehmen. ETL-Prozesse (Extract, Transform, Load) werden benötigt, um Datenquellen zentral zu konsolidieren und in einem Cloud Warehouse zu speichern. Die steigende Komplexität und die individuellen Anforderungen führen dazu, dass vermehrt auf Rohdatenbasis gearbeitet wird und Datenmodelle auf individuelle Anwendungsfälle zugeschnitten sind.

Das Jahr 2024 wird zweifellos eines der spannendsten. Es wird komplex, technologisch und vermutlich sehr schmerzhaft. Es wird Unternehmen dazu zwingen, agil zu sein, mehr Verantwortung zu übernehmen und in die technische Infrastruktur zu investieren.

Let’s talk!
Leon Wempner
Head of Data Analytics
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