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Das Ende von Twitter? Wird es den neuen Twitter-Klonen gelingen, die Plattform endgültig abzulösen?

Publiziert
6. Juni 2023

Seit der Übernahme von Elon Musk gab es diverse Änderungen, die viele Nutzer:innen und Werbetreibende kritisch gesehen haben. Kritik und Zweifel im Hinblick auf den Mikroblogging-Dienst sind lauter geworden und die intensive Suche nach Alternativen hat längst begonnen. Die Lücke im Angebot wurde erkannt und als Folge sind in letzter Zeit einige neue Plattformen entstanden, die ähnliche Funktionen wie Twitter aufweisen. Sind die neuen Plattformen besser? Was sind die wichtigsten Unterschiede zwischen den Alternativen und kann man da auch Werbung schalten? Hat Twitter überhaupt noch eine Chance zu überleben? Um ein besseres Verständnis dafür zu bekommen, schauen wir uns die textbasierten Plattformen Mastodon, BlueSky, Spills und Barcelona an.

Von Daniela Pastere, Head of Social Media Advertising

Eine der massivsten Änderungen, die Entlassung von 80 Prozent der Twitter-Mitarbeiter:innen, darunter zahlreiche, die im Bereich Content Moderation tätig waren, hat mitunter Diskussionen über Brand Safety auf der Plattform ausgelöst. Vermehrte Vorfälle mit Fakes und Hassrede, die Überlegung, politische Werbung wieder zu genehmigen sowie die Einführung des neuen Verifizierungssystems, die hauptsächlich für Verwirrung gesorgt hat, haben negative Stimmen gegen Twitter noch lauter werden lassen. Als Folge haben viele Twitter Nutzer:innen und Werbetreibende die Plattform verlassen. Bei der Suche nach der nächsten Plattform, die ähnlich ist wie Twitter, aber nicht Twitter ist, haben einige Nutzer:innen LinkedIn und Reddit für sich neu entdeckt, andere haben sich sogar an Plattformen wie Clubhouse oder Tumblr erinnert, die in den letzten Jahren an Relevanz verloren haben. 

Wir starten den Vergleich mit einem Twitter-Klon aus Deutschland. Mastodon ist eine dezentrale App mit mittlerweile 9 Millionen registrierten Nutzer:innen. Die Plattform erlebte rasantes Wachstum direkt nach der Twitter-Übernahme von Elon Musk, allerdings hielt der Hype nicht lange an: Momentan sind es nur noch knapp 1,8 Mio. monatlich aktive Nutzer:innen. Zwar kann sich jede:r registrieren, der Prozess war bis vor kurzem allerdings recht umständlich: Es musste zunächst einer aus über 10.000 Servern ausgesucht und die Aufnahme darin anschließend freigegeben werden. Die Bedienung ist nicht sehr benutzerfreundlich, aber Mastodon arbeitet weiter an Features, um die User Experience zu verbessern und natürlich, um mit anderen emerging Plattformen mitzuhalten.

Die Plattform steht jeglichen Werbemaßnahmen sehr kritisch gegenüber. Auf der Webseite des Netzwerks steht es deutlich: ‘Wir werden niemals Werbung schalten’. Mastodon wird vor allem auf Spenden- und Sponsorenbasis betrieben, eine Aussicht auf Werbemöglichkeiten gibt es nicht.

BlueSky ist eine weitere dezentrale soziale App, die zwar genauso aussieht wie Twitter, allerdings mit deutlich weniger Funktionen und ohne Elon Musk. Der ehemalige CEO von Twitter Jack Dorsey hat die App während seiner Zeit bei Twitter konzipiert und ist jetzt bei BlueSky im Vorstand tätig. Fun Fact: Im Jahr 2019 hat Twitter Bluesky finanziert. Momentan befindet sich die Plattform in einer Beta, die einzige Möglichkeit beizutreten, ist über eine Einladung. Aktuell hat die Plattform 72.000 registrierte Nutzer:innnen, aber es gibt noch fast 2 Mio. Personen, die auf eine Zulassung waten. Die Bedienung ist intuitiv, insbesondere für ehemalige Twitter-Nutzer:innen, und BlueSky verspricht eine freundlichere und inklusivere Atmosphäre im Vergleich zu Twitter. Obwohl viele Nutzer:innen sehr positive Erfahrungen mit der Plattform gemacht haben, gibt es schon die ersten Vorfälle wegen unzureichender Content-Moderation.

Momentan gibt es keine Werbung auf der Plattform. Wie BlueSky sich finanziert, wenn das Geld der Investoren ausbleibt, ist noch nicht klar.

Eine weitere soziale App, die von zwei ehemaligen Twitter-Mitarbeitern gegründet wurde, ist Spill. Die Plattform hat soeben die Alpha-Phase beendet, und ausgewählte Nutzer:innen werden jetzt zur geschlossenen Beta-Phase eingeladen. Wann die App für alle frei zugänglich sein wird, steht noch nicht fest. Momentan ist lediglich eine Wartelistenanmeldung möglich.

Spill ist vor allem für Creator:innen ansprechend: Mithilfe von Blockchain-Technologie werden Spills (Beiträge auf Spill) definiert, die viral gegangen sind, und die Creator:innen werden dafür finanziell belohnt. Dabei legt die Plattform einen großen Wert auf Inklusivität. Es gab auch die Rede von „boosted posts“, die Nutzer:innen erwerben können, sodass die Aussicht auf Werbemöglichkeiten gegeben ist.

Die gerade am meisten diskutierte textbasierte Plattform kommt von Meta und trägt aktuell den Namen Barcelona. Diese soll demnächst – voraussichtlich noch im Juni – erscheinen. Bekannte Beispiele wie zuletzt der Fall von BeReal zeigen, dass etablierte Social Media-Plattformen mühelos die Ressourcen zur Verfügung stellen können, um bestehende Features anderer Plattformen nachzubauen. Die neue App soll teilweise in Instagram integriert sein (mit Single Sign-On) sowie dezentral und mit Mastodon interoperabel sein.

Derzeit gibt es keine Rede über Werbemöglichkeiten auf der Plattform, allerdings ist stark anzunehmen, dass Meta dies für sich eher früher als später in Anspruch nehmen wird, insbesondere vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Werbeplattform.

Dazu müsste lediglich die neue Plattform als Platzierung im Meta Ad Manager hinzugefügt werden. Ob Barcelona viele Nutzer:innen zu sich zieht, ist abzuwarten. Der Tech-Gigant stand mehrfach wegen Datenschutzverstößen in der Kritik, neulich hat die EU gegen Meta eine Rekordstrafe von 1,3 Mrd. Dollar wegen der Weiterleitung von User:innendaten in die USA verhängt. Es stellt sich die Frage, ob die ehemaligen Twitter-Nutzer:innen Meta ihre persönlichen Daten anvertrauen würden.

Die hier vorgestellten Twitter-Alternativen sehen großenteils sehr ähnlich aus und bieten auch vergleichbare Funktionen an. Wie sich die Nutzerschaft auf den Plattformen zukünftig entwickelt, bleibt jedoch abzuwarten. Derzeitige Entwicklungen bei Twitter deuten nicht auf eine Änderung der Kanalstrategie hin, es ist also anzunehmen, dass die neuen Plattformen auch langfristig nachgefragt sein werden. Es bleibt auf jeden Fall spannend, welche Plattform hier als Gewinner herausgeht und wie lange Twitter seine Position noch halten kann.

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Daniela Pastere
Head of Social Media Advertising
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